Fasnacht oder Karneval – Was bedeutet was?

  • Fasnacht von „Faseln“, also „Aufsagen“, d. h. das Rügerecht wahrnehmen (heute Narrenspiegel) oder auch Büttenreden.
  • Fasnacht von „Faß“, also vom unmäßigen Trinken her (abgeleitet von den römischen Bacchanalien, wo Bacchus auf einem Fass daherkommt)
  • Fasnacht von „fassen“, also die Nacht, wo mein Speis, Trank und Männlein / Weiblein fasst
  • Fasnacht von „Fastnacht“, also die Nacht vor der 40-tägigen Fastenzeit vor Ostern.
  • Weiter wäre z. B. auch noch „Vas noctis“ (Nachttopf), als Bezeichnung für das Fest das die Unreinheit des Menschen definiert, denkbar
  • Auch „Faseln“ als fruchtbar sein, wurde herangezogen, (Zuchtvieh hieß früher Faselvieh), quasi die Geilheit und Ungezügeltheit der Narren beschreibend.
  • usw.

 

  • Karneval wurde nachweislich nicht vor 1699 in Deutschland verwendet und ist eindeutig italienischen Ursprungs (in Köln übrigens erst ab 1780)
  • Karneval von „Carrus navalis“ (Schiffswagen) als Vorläufer der Umzugswagen.
  • Karneval von „Carne vale“ (Fleisch lebe wohl), als Hinweis auf die kommende Fastenzeit
  • Karneval von „Carnis levamen“ (Fleischwegnahme), aus gleicher Ursache

 

Tatsache ist, dass beides aus dem Kirchenjahr resultiert. Basierend auf dem Grundsatz, dass es für alles ein Gegenstück geben muss, (Gott – Teufel, Licht – Dunkelheit, Gut – Böse, etc.) ein Grundsatz, der selbst in den ältesten Kulturen nachgewiesen werden kann, bezog auch das Christentum (wir reden hier zunächst ausschließlich von der römischen-katholischen Kirche) diese Werte in seine Lehre mit ein.

 

Somit gibt es also für jeden Christen (p. d. einen Mensch), der die Gebote (Gottes) der Kirche hält, auch einen Nicht-Christen (vulgo „Heide“), als ein Mensch, der außerhalb der Religion steht.

 

Es gab im (alten) Kirchenjahr eine Menge von Fastenzeiten, von denen sich heute nur noch die vor Ostern erhalten hat. Gefastet wurde aber auch vor Pfingsten, vor Weihnachten, und zu weiteren Gelegenheiten, die hier nicht weiter erörtert werden sollen.

 

Zweierlei Gründe waren ausschlaggebend für die Fasnacht: Zum einen das Faktum, dass es die letzte Möglichkeit war, ungestraft alles essen zu dürfen (heute z. B. Islam und Ende des Ramadan), ehe man vierzig Tage fasten musste. Zum zweiten die Tatsache, dass die Kirche die Fasnacht förderte, um den Gläubigen die Gottesferne, das Chaos, usw. einer nicht von Gottesfurcht und Glauben bestimmten Lebensweise drastisch darzulegen.

 

Nebenbei: Woher kommt der Brauch, zu Ostern Eier zu verschenken? Vierzig Tage legen die Hühner Eier, aber Eier dürfen in der Fastenzeit nicht gegessen werden. Somit macht man Eier haltbar, um sie dann, wenn man sie wieder essen darf, zu verzehren und zu verschenken.

 

Hieraus resultiert auch ein Weiteres: Die meisten der ersten Hinweise auf Fasnacht in den Chroniken, beziehen sich auf sog. „Fasnachtshühner“, eine Natural-Steuer. Die Steuertermine, wo also die Untergebenen der Obrigkeit die Steuerleistung erbringen mussten, waren meist vor einer Fastenzeit terminiert, immer jedoch zu festen Terminen im Kirchenjahr.

 

Was war zuerst da - Fasnacht oder Karneval

 

Die Annahme, Fasnacht sei älter als Karneval, resultiert vor allem aus einem Buch von Hermann Eris Busse, der zu Beginn der NS-Zeit ein Buch mit dem Titel „unsere alemanische Fasnacht“ herausgab. Dabei setzte er, ganz im Geist der Zeit den Begriff „außer-christlich“ oder „heidnisch“ mit „vor-christlich“ gleich. Seit dieser Zeit bilden sich die Narrenzünfte der schwäbisch-alemannischen Fasnacht ein, dass ihr Brauchtum germanischen oder noch älteren Ursprungs sei.

 

Tatsächlich ist es aber eher so, dass es sich bei beiden Begriffen um den selben Vorgang handelt. Begrifflich gesehen, ist Karneval jünger. Als Ereignis gesehen eben so alt.

 

Die Exzesse, die Tollerei, das Rügerecht usw., alles ist bei beiden vorhanden. Allerdings veränderte sich, bedingt durch die regierenden Herrscher, zunächst im Norden die Bezeichnung auf das eigentliche Fest. Aus Fasnacht wurde Carneval. Im Süden hielt sich der Begriff Fasnacht, weniger jedoch, weil hier altes Brauchtum gepflegt wurde, sondern mehr deshalb, weil die Reformation und ähnliche Bewegungen konsequent gegen alles war, was „aus Rom“ kam.

 

Tatsächlich gingen jedoch die „herkömmlichen“ Traditionen der Fasnacht mehr und mehr zurück und die Bürger feierten zunehmend den Karneval, wobei sie den höfischen Karnevals- und Masken-Feste imitierten.

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde so selbst in Rottweil Karneval gefeiert mit dem Helden Karneval (heute Prinz), mit Prunkwagen und allem, was auch noch heute den rheinischen Karneval ausmacht. Erst um die Jahrhundertwende, so gegen 1910, wurden erste zaghafte Versuche gemacht, auszusterben drohende Bräuche zu konservieren und zu erhalten.

 

Aus der Ordnung des Kirchenjahres erklären sich auch die verschiedenen Fasnachtstermine: Bis zum 11. Jahrhundert begann die Fastenzeit nach dem Sonntag Invocavit (40 Tage). Dann jedoch setzte sich allmählich die Auffassung durch, dass die Sonntage, als Gedenktag der Auferstehung, nicht gezählt werden sollten. Durch diese sonntäglichen Unterbrechungen verlängerte sich natürlich die eigentliche Zeitspanne, so dass der Beginn der Fastenzeit eben in die Woche nach dem Sonntag Quinquagesima, dem heutigen Fasnachtssonntag, rückte.

 

Die „Alte Fasnacht“ resultiert somit aus der alten Zählweise der Fastenzeit.

 

Woher kommt der Narr?

 

Der Narrenbegriff des Mittelalters ist verschieden zu unserer heutigen Definition. Es gab ihn sowohl als natürliche Figur (Hofnarr, geistig Behinderter, Gaukler) wie auch als künstliche, eher allegorische Figur in Theaterstücken, Fasnachtsspielen oder auch Predigten (der Narr als Leugner Gottes „Non est deus!“).

 

Zunächst lassen sich so hauptsächlich auch nur drei Haupt-Typen in der Fasnacht belegen: das alte Weib, der (stroh-) Bär und der Teufel. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts tritt der Narr hier noch hinzu.

 

Aus dem „alten Weib“ hat sich die heutige Hexe entwickelt. Der Bär ist, bis auf wenige Orte nahezu ausgestorben, hat sich aber in den „Plätzlesfiguren“ in anderer Form erhalten. Die Teufelsfiguren gibt es heute noch (meist als Leiter von Hexen) und schließlich der Narr, der heute als Bajazzo, Clown, Hofnarr etc. in Erscheinung tritt.

 

Allen Ur-Typen ist eines gemeinsam: Sie waren in der Gedankenwelt des Mittelalters Randgestalten, Figuren am Rande der Gesellschaft. Man könnte hier lange über die einzelnen Hintergründe der jeweiligen Figur, des jeweiligen Typus reden, doch wollen wir uns hier ausschließlich mit dem Narren (und seiner Erscheinung, seinem Auftreten) befassen.

 

Wie bereits erwähnt, leugnet der Narr Gott. Er bezeugt. in der Gedankenwelt des Mittelalters, durch seine Gottesferne das Außerchristliche, man könnte hier auch den Begriff „Heidnisch“ verwenden. Gelegentlich treten Narren nämlich in Form von Türkenfiguren auf (etwas, was man z. B. auf den Rottweiler Narrenkleidern beobachten kann). Der Türke (Muselmane), der nicht Christ ist, ist somit ein Narr.

 

So sind wir nun bei der äußeren Erscheinung des Narren angelangt.

 

In der reglementierten Welt des Mittelalters gab es klare Vorschriften für alle Lebensbereiche, selbst für die Kleidung. „Kleider machen Leute“. Dieser stets gültige Spruch hatte im MA besonders Gültigkeit. Somit gab es für jede Bevölkerungsschicht klare Kleidungsvorschriften. Und wehe dem Mann oder der Frau, besonders der Frau, wenn man wagte, diese Vorschriften zu übertreten! Selbst für Hochzeiten galten diese Regelungen, und bei Missachtung drohten schwere Geld-, vor allem aber Ehrenstrafen, wie z. B. Pranger, Haarabschneiden, Schandgeige, Schandmantel oder – masken und vieles mehr. Ein Bürger, dem solches widerfuhr, der war auf Monate hinaus, manchesmal sogar lebenslänglich „erledigt“, so dass ihm nur noch die Auswanderung aus dieser Gemeinde blieb.

 

Ein Bauer kleidet sich wie ein Bauer, ein Handwerker schon etwas besser, der Kaufmann darf schon Pelze von verschiedenen Tieren sowie etwas Schmuck tragen, Patriziern und Großhandelsherren sowie Stadträten steht noch etwas mehr , auch bei Kopfbedeckungen, zu, und über ihnen stehen Bürgermeister, Schultheiß und Vogt.

Darüber der niedere Adel, die Ritterschaft und der hohe Adel. Allen gemein ist, dass es Farben gibt, welche die Schicht unter ihnen nicht tragen darf.

Paralleles gilt für den Klerus, wobei dies, was die Farben betrifft, im Bereich der kath. Kirche auch heute noch gilt.

 

Allen gemeinsam ist auch, dass ein buntes Auftreten, also eine Vielzahl von Farben, niemals in Frage kommt – dies wiederspricht der Kleiderordnung. Ein Narr trägt viele Farben, er steht außerhalb der Gesellschaft. Er trägt große Karo’s, bunt gestreifte Hosen, grelle oder wenigstens kräftige Farben, so dass er bereits an der äußeren Erscheinung erkenntlich ist.

(Übrigens galten diese Farbvorschriften auch für die Huren jener Zeit, auch sie hatten eigene Farben).

 

Dazu trägt der Narr eine Marotte, sein Narrenzepter (hieraus hat sich auch das „Handgerät“ der heutigen Narren entwickelt) oder einen Spiegel. Dieser Spiegel, aus dem sich erst später der Narrenspiegel entwickelte, war zunächst Symbol für die Selbstbezogenheit des Narren. Während der Christ sich Gott zuwandte, seinen Blick auf das Jenseits, das Paradies, sein Seelenheil richtete, schaute der Narr nur auf sich selbst, auf das Diesseits. Dies fand er in seinem Spiegel, wo er sich selbst sieht.

 

Der Spiegel, den der Narr in der Entwicklung seinen Mitmenschen vorhielt, um ihnen so ungeliebte Wahrheiten zu zeigen oder zu sagen, diese Spiegel-Symbolik entwickelte sich erst deutlich später.

 

Der Narr beweist also durch sein Auftreten seine Gottesferne, er zeigt durch sein Erscheinungsbild seinen Stand außerhalb der Gesellschaft. Diese wiederum verweigert ihm die üblichen Bürgerrechte. Er ist nicht „mannbar“, d. h. er kann weder Bürger werden, noch Heiraten, er kann kein Handwerk oder einen Beruf lernen, kurz, er ist nicht „existent“.

 

Dass der Narr trotzdem „existiert“ verdankt er zum einen der „caritas“, also der Nächstenliebe, die von jeder Kanzel gepredigt wird (und zu der auch Almosen gehören), zum anderen auch der Tatsache, dass sich der Narr, wollte er überleben, Fähigkeiten aneignen musste, die der „traurige Rest“ eben nicht hatte. Dies konnten körperliche Fähigkeiten sein (z. B. Artistik) oder geistige Fähigkeiten (also Rhetorik, Dialektik, Dichtkunst).

 

Berücksichtigt man nun noch das Faktum, dass nach der damals geltenden Denkweise, nur ein gesunder Mensch ein „Kind Gottes“ war, dann erklärt sich auch sehr schnell, warum wir die Narren seit jener zeit meist als bucklige, kleinwüchsige, oder auch im Gesicht entstellte Gestalten zu sehen bekommen. War ein Mensch dieser Zeit entweder körperlich oder vom äußeren Erscheinungsbild sichtbar gekennzeichnet, dann war dies ein Zeichen Gottes.

 

Dieser Mensch musste von Gott bestraft worden sein, denn es galt folgende Logik:

Gottes Schöpfung ist vollkommen. Ist etwas nicht vollkommen, kann es entweder nicht von Gott sein, oder es wurde von Gott zur Strafe so gemacht.

Wenn also ein Mensch nicht vollkommen (also gesund und körperlich unversehrt) ist, dann ist dies entweder ein Zeichen für den Einfluss des Nicht-Göttlichen, des Bösen, oder aber es handelt sich hier um eine Strafe Gottes.

 

Somit wird klar, warum Menschen mit derlei körperlichen „Makeln“ gar nichts anderes übrig blieb, als ihre geistigen Fähigkeiten zu benutzen. Ein solcher Mensch musste also lernen zu reden, sich zu artikulieren, nur so hatte er die Möglichkeit, zu überleben. Wer das nicht konnte, der ging elendig zugrunde.

 

Hinzu kommt noch, dass der Narr stets lärmend auftritt. Auch so steht er im Gegensatz zum damals üblichen Verhalten, dass Lärm und Auffälligkeit nur in Ausnahmefällen gestattete. Der Narr ist laut, ist derb, ist unverschämt. Er ist kein Teil seiner Umwelt.

 

Während er seinen Krawall anfänglich mit Rasseln, Rätschen, Klappern (das gehört zum Handwerk) oder auch Varianten von Trommel oder Tuten und Pfeifen produzierte, kamen später (etwa ab dem 15. Jahrhundert) vermehrt Glöckchen oder Schellen zu der Narrenfigur. Auch dies hat religiöse Ursachen: In einem Paulusbrief gibt es folgende (sinngemäße) Passage: „Selbst wenn ich mit Engelszungen reden könnte, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich doch nur eine klingende Schelle, ein tönendes Erz ...“. Diese Stelle wird auch heute noch am Fasnachtssonntag meist als Predigt verwendet.

 

Wobei es hier nicht um die Liebe zwischen den Menschen, sondern um die Liebe Gottes zu seinem Geschöpf geht. Somit definiert der Narr mit seinen Schellen die (spirituelle) Leere des „gottlosen“ Menschen.

 

Was hat es mit den anderen Figuren auf sich?

 

Die anderen erwähnten Figuren wie „das alte Weib“, der Bär und der Teufel kommen ebenfalls aus dem Bereich der christlichen Lehre.

 

Allen gemeinsam ist, dass auch sie „gottlos“, im Sinne des damaligen Verständnisses sind. Der Teufel, der bei den Fasnachts- und Fastenspielen als er selbst auftrat, als Verführer, der gefallene Engel, als das personifizierte „Böse“.

 

Das „alte Weib“, das symbolisch für die Vergänglichkeit des „unchristlichen“ Menschen steht, denn ein christlicher Mensch wird, wenn er ins Paradies eingeht, in strahlender Schönheit, gesund an Körper und Geist, vor Gott treten (Parallelen finden sich im Islam, wo die Gläubigen im Jenseits von strahlenden Huri (keine Huren, sondern schönste Jungfrauen) erwartet werden).

 

Schließlich der Bär, der mit größter Wahrscheinlichkeit eine Variante des „wilden Mann“ (so wie wir sie heute noch im Alpengebiet als „Perchten“ antreffen) ist. Seine Symbolik ist eher darin zu sehen, dass hier das „animalische“, das nicht menschliche ausgedrückt wird. Diese ursprünglich düstere, Angst verbreitende Figur, drückt zum einen die Kälte alles nicht menschlichen aus, ist andererseits aber auch das maskuline Gegenstück zum „alten Weib“.

 

Als gesichert kann jedoch gelten, dass alle diese Fasnachtsfiguren, vor allem aber ihre einstigen und auch heutigen Bedeutungen und Definitionen, nicht aus vor-christlicher Zeit (also nicht aus dem heidnischen Germanen-, Alemannen- oder sonstigen Kult) kommen, sondern einzig Figuren sind, welche sich, im Laufe der Brauchtumsentwicklung, zu dem entwickelt haben, was wir heute in der Fasnacht sehen. Das ist im Übrigen, was den schwäbisch-alemannischen Zünften am meisten weh tut.

 

Wer sich für dieses Thema näher interessiert, der möge nach den Büchern von Prof. Dr. Werner Mezger sehen, auch von Dietz Rüdiger Moser gibt es hierzu recht interessante Literatur.

 

Wie geht es weiter?

 

Man kann also sehen, dass sich verschiedene Dinge, Figuren und Ereignisse (auch Feste) im Laufe der Zeit weiterentwickelt haben. Brauchtum lebt – zumindest sollte es leben – und es entwickelt sich im Kontext mit der Umwelt und Gesellschaft.

 

Wir reden hier jedoch von Entwicklungen, die über Generationen gehen. Brauchtumspflege, so wie sie heute von Manchen verstanden wird, ist eigentlich der Versuch einer Konservierung – nicht einer Pflege. Brauchtum ist kein Pflegefall (es gibt hierfür auch keine Pflegeversicherung). Brauchtum ist das Zelebrieren von Überliefertem. Brauchtum entsteht aber auch neu, gelegentlich gehen auch „Bräuche“ unter. Brauchtum ist in einem steten Wandel unterworfen – zumindest sollte es so sein.

 

Freuen wir uns also an den Bräuchen, die wir selbst aktiv erleben dürfen, und sorgen wir so dafür, dass sie, zumindest während unseres Lebens, weiterbestehen.